Mittwoch, 13. Oktober 2010

Protestschreiben aus Kassel

An die Mitglieder des Vorstands der IG Metall

Nein zu Funktionsverboten für Mustafa Efe, Fehmiye Utku und Martin Franke
Nein zu Ausschlüssen weiterer KollegInnen

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich wende mich an euch mit der dringenden Aufforderung, euch im Vorstand gegen Sanktionen der engagierten IG Metall-Mitglieder im Daimler-Werk Berlin auszusprechen und gegen Ausschlüsse, Funktionsverbote oder Rügen zu stimmen.

Wie euch bekannt ist, haben IG Metall-Mitglieder aus dem Daimler-Werk Berlin nach den diesjährigen Betriebsratswahlen einen Antrag auf Ausschlussverfahren gegen die IG Metall-Mitglieder der „Alternative-offene Liste“ gestellt. Die „Alternative – offene Liste“ hatte einViertel der Stimmen erlangt.

Die Untersuchungskommission empfahl mit drei zu zwei Stimmen den Ausschluss von drei in den Betriebsrat gewählten IG Metall-Mitgliedern und Rügen für 15 weitere KandidatInnen auf der Liste der Alternative. Dieser Empfehlung schloss sich der Ortsvorstand der IG Metall Berlin nicht an. Er wandelte die Ausschlüsse in zweijährige Funktionsverbote um und behielt die 15 Rügen bei. Grundsätzlich stellte er „gewerkschaftsschädigendes Verhalten“ aufgrund der Aufstellung einer konkurrierenden Liste fest.

Die UnterstützerInnen der „Alternative“ konnten nachweislich erklären, warum sie vor dem Hintergrund des lange anhaltenden Konflikts innerhalb des BR-Gremiums eine eigene Liste aufstellten.

Eine konstruktive Zusammenarbeit mit den kritischen KollegInnen im Betriebsrat fand in den Jahren davor nicht statt. Statt einer inhaltlichen Auseinandersetzung reagierte die Betriebsratsführung auf Kritik an Beschlüssen mit Ausgrenzung, zum Beispiel weigerten sie sich sogar schriftliche Beschlussvorlagen für Entscheidungen auf der BR-Sitzung an die kritischen BR-Mitglieder auszuhändigen. Die Problematik war dem Ortsvorstand bekannt.

Die KollegInnen der „Alternative“ forderten vom Ortsvorstand die Anerkennung ihrer Liste als zweite Liste der IG Metall, so wie es im BMW Werk Spandau und anderen Werken der Fall ist. Dies wurde abgelehnt, obwohl die Situation mit BMW vergleichbar ist. In beiden Werken handelt es sich im Kern um eine polarisierte inhaltliche Differenz um den Kurs der IG Metall. Die „Alternative“ hat sich wiederholt dafür eingesetzt, diese Differenzen in einem demokratischen Prozess durch Einberufung von Mitgliederversammlungen im Werk zu klären. Das ist nicht gewerkschaftsschädigend. Wäre diesem Wunsch nach mehr Partizipation der Mitglieder Rechnung getragen worden, so hätte das auch dem schleichenden Rückgang der Mitgliedszahlen im Daimler-Werk Berlin entgegenwirken können.

Aus meiner Sicht ist mehr Beteiligung und demokratische Debatte der einzige Weg für eine Lösung der Konflikte und dafür, dass die IG Metall als Organisation insgesamt gestärkt wird. Es darf nicht sein, dass kritische Stimmen durch Sanktionen aus der dringend notwendigen inhaltlichen Debatte ausgeschlossen werden. Genau das wäre mit einem Ausschluss, aber auch mit einem Funktionsverbot von zwei Jahren der Fall!

Mustafa Efe, Fehmiye Utku und Martin Franke sind sowohl Vertrauensleute als auch Delegierte. Ihre Beiträge würden auf der Delegiertenversammlung fehlen. Alle drei wurden von einem Teil der Mitgliedschaft im Mercedes-Benz-Werk Marienfelde für diese Funktion gewählt, Mustafa Efe bekam bei der Wahl der Delegierten sogar die meisten Stimmen. Somit würde das Votum der Mitglieder missachtet.

Das gilt umso mehr, als die Dauer der Funktionsverbote bedeutet, dass eine erneute Kandidatur bei den kommenden Delegiertenwahlen für die betreffenden drei KollegInnen nicht möglich wäre. Aus meiner Sicht würde daher der Beschluss eine Beeinträchtigung der demokratischen Willensbildung der Mitglieder im Mercedes-Benz-Werk Berlin Marienfelde bei den Wahlen bedeuten. Das kann nicht im Interesse der IG Metall sein.

Ich bin auch besorgt darüber, dass im Fall Refik Güncan von der Liste „Faire Basis“ durch die eingesetzte Untersuchungskommission wieder mit 3:2 Stimmen ein Ausschluss empfohlen wurde. Dazu kommt nun die Einleitung eines Untersuchungs-/Ausschlussverfahrens gegen drei Mitglieder im Mercedes-Benz-Werk Kassel. Ich befürchte, dass dies das Signal gibt, in unserer Organisation herrsche ein bürokratisches Regime im Umgang mit kritischen Meinungen anstatt ein Klima von größtmöglicher demokratischer Beteiligung und Debatte.

Ich fordere Euch daher dringend auf, einen Beschluss gegen jegliche Sanktionen der KollegInnen bei Daimler in Berlin und Kassel zu treffen.


Mit solidarischen Grüßen,
Katja Hoffmann
Betriebsratsmitglied im Klinikum Kassel
Mitglied der Gewerkschaft ver.di, Vertrauensfrau im Klinikum Kassel

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